Anja Wedershoven,

 

geb. 1968 in Mönchengladbach, journalistische Arbeit im Bereich Kultur für verschiedene Zeitungen. Lektorat und Korrektorat für Autoren und Kleinverlage vom Niederrhein bis zum Bergischen Land.

 

Weiterbildung im Bereich des Litera-rischen Schreibens u.a. beim Litera-turbüro NRW, an der Hochschule Niederrhein, der Bundesakade-mie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel (bei Antje Rávic Strubel) und dem Autorendock Hamburg (bei Clemens Meyer).

Juli 2008 mit der Erzählung „Blütenküsse“ 1. Preis bei der bundes-weiten Aus-schreibung „Vom Schreiben der Sinne“. Veröffentlichungen in Anthologien und Zeitschriften.
Zur Zeit Arbeit am ersten Roman, einer Familien- und Liebes-geschichte vor dem Hintergrund des Braunkohletagebaus.

Klaus Ketterer

 

1941:   Bei kreischendem Radio und dröhnender Luft in die Blitze einer tobenden Welt geworfen worden als ein mit Hoffnung völlig überladenes Potential für den Kampf eines selbst-ernannten Herrenvolkes. Ich sollte mithelfen, die Basis zu bilden für die nächsten tausend Jahre Heroismus, mithelfen also bei einem schon besudelten Wahn, der im Blut ausglitt und wankte.

1943:   Geboren im Alter von zweieinhalb Jahren bei einem Schlag im Erdreich neben der Grundmauer, hinter der im Luftschutzkeller das Kinderbett stand. Nur einen Meter entfernt von der totbleibenden Sprengkraft erstmals etwas tatsächlich verstehen, das in Erinnerung bleibt.

1947:   Plötzlich das Verstehen verstehen, das Wollen wollen, erschrecken über das: „Nur du selbst!“, das den Blick auf die Welt verändert. Irgendwann zwischen Tag und Traum: Hinter dorniger Rosenhecke jenes große Haus entdecken, zu dem man nur selbst den Schlüssel hat. Sich dort heimisch fühlen und doch immer wieder weg wollen.

1949:   Den Bücherschrank der Eltern entdecken, der keine verbotenen Winkel hatte und doch kein Spiegel der Welt war. Weniger Antworten als Fragen finden.

1951:   Sich fremd fühlen in dieser Welt. Gedichte statt Fußball. Aufsätze schreiben, die Lob bringen, aber auch höhnende Distanz schaffen. Lesen, bis das der Tag erschlagen wird.

1954:   Den Körper und die Welt entdecken, das Wasser lieben lernen, in einer ersten Liebe fast ertrinken. Feststellen, dass die Welt nicht träumt. Singen, tanzen, widersprechen und die Igno-ranz als unerträgliche Macht erkennen.

1957:   Das große Haus abschließen und die Rosenhecke wuchern lassen. In die Welt gehen, nicht mehr träumen wollen. Erschöp-fung, Schweiß und Schmerz. Sich selber fliehen und anderen zeigen wollen, dass man besser ist.

1960:   Die Liebe neu entdecken, die auch Verpflichtung birgt. Noch fast zu früh bereit, Verantwortung zu übernehmen, und ferne Ziele zu formen.

1965:   Im Leben versinken und doch nicht ertrinken.

 

2002:   Krank erwachen und sich erschrocken umsehen. Jeden Spiegel für einen Lügner halten. Sich fragen, was das für ein Haus hinter dieser Dornenhecke ist. Das Haus aufschließen. Durch die hohen Räume laufen und staunen.      Schreiben!